Der letzte D-Day

Diesen Beitrag zu schreiben fällt mir schwerer als jeder andere zuvor, denn es ist kein leichter.

Ich muss euch nun auch hier mitteilen, dass unsere wunderbare starke Kämpfermaus Haylie, am Ostersonntag, also vor genau Zwei Wochen, ihre letzte Reise angetreten ist. Nun haben wir einen weiteren D-day, den letzten D-Day: der 1. April 2018 – Day of death.

Ich könnte euch diesen traumatischen Tag ohne Probleme von Anfang bis Ende in jeden noch so kleinem Detail erzählen, das wäre ganz einfach. Denn ich erlebe diesen endgültigen Moment ihres Todes immer und immer wieder in meinen Gedanken, in meinen Träumen.

Ständig versucht mein Gehirn zu analysieren was passiert ist, zu verstehen was „schief“ gelaufen ist. Ständig malt es sich hundert verschiedene Szenarien aus und versucht zu erkunden, was alles hätte anders verlaufen können. Ständig muss ich in Gedanken den Ablauf mit den vielen Situationen in meiner Erinnerung, wo es immer noch „gut“ gegangen ist, vergleichen.

Es vergeht kein Tag ohne diese Gedanken. Und das obwohl ich im Kopf eigentlich weiß was passiert ist, und obwohl ich Haylies Entschluss, dass es nun genug Kampf war, sehr wohl verstehe und akzeptiere. Mein Herz scheint es noch nicht angenommen zu haben, und verlangt von meinem Gehirn es immer wieder durchzugehen.

Was ist also passiert?

Wir hatten einen guten Tag. Haylie ging es am Vormittag noch „so lala“, sie brauchte etwas Sauerstoff, aber alles in allem ging es ihr gut. Wir waren zum Mittagessen bei Stefans Eltern eingeladen und so haben wir uns am Vormittag noch etwas Zeit genommen, ich habe Haylies Haare gekämmt und ihr einen schönen Zopf geflochten, hab sie hübsch angezogen und zum Runtergehen fertig gemacht.

Unten bei den Großeltern ging es ihr dann richtig gut. Sie brauchte gar keinen Sauerstoff und lag ganz entspannt auf ihrem Platz auf der kleinen Bank. Wir alle haben sehr gut gegessen, gelacht, und Ostern gefeiert. Haylie bekam auch ein frisch gekochtes Mittagessen von Oma und ich habe sie ganz in Ruhe sondiert.

Weil es ihr so gut ging haben wir beschlossen Sie auch mit nach Mondsee zu nehmen, wo wir zum Ostern feiern bei meiner Tante eingeladen waren.

Wir haben uns mit allem Zeit gelassen, hatten gar keinen Stress.

Ich habe Haylie angezogen und wir haben Sie in den Kindersitz gelegt und machten uns auf den Weg nach Vöcklabruck, um dort meinen Bruder abzuholen, der uns nach Mondsee begleiten wollte.

Plötzlich machte das Auto Probleme. Es fuhr zwar ganz normal aber es beschleunigte stellenweise gar nicht mehr gut und bergauf zu fahren war sehr mühsam. Wir tippten auf einen Marderschaden (was sich die Tage später dann bestätigte) und fuhren mit meinem Bruder im Gepäck wieder nachhause. (Autobahn zu fahren wäre unmöglich gewesen in diesem Zustand des Autos) Mein Schwiegervater bot uns an sein Auto zu nehmen, was wir dann auch tun wollten.

Weil aber das ein und ausladen, sowie das umbauen des Sitzes etc für Haylie zu viel Anstrengung und Aufwand gewesen wäre, beschlossen wir, dass Stefan und Haylie zuhause bleiben würden und ich alleine mit Helena und meinem Bruder nach Mondsee fahren würde.

Wir schnallten Haylie also ab und Stefan trug sie wieder nach oben auf ihre Couch. Ich wollte ihr gerade die Jacke ausziehen, da bemerkte ich noch lange bevor der Monitor alarmierte, dass Haylie leicht bläuliche Lippen bekam. Ich dachte Sie hätte gerade zu viel Schleim im Hals durch das bewegen und fing an abzusaugen. Ich erwischte aber kaum Schleim, während Haylie immer blauer wurde und nun auch verkrampfte.

Sie hatte einen Krampfanfall. Wir reagierten sofort und gaben ihr ein Notfallmedikament rektal. Es schien aber nicht zu helfen, Haylie verkrampfte immer mehr und bekam schon Flecken im Gesicht, weil sie nicht mehr atmete. Also gaben wir ihr eine 2. Dosis. Leider auch ohne Erfolg.

Haylies Gesicht entspannte sich dann irgendwann wieder, aber sie war nicht mehr da. Sie atmete nicht mehr, reagierte nicht mehr auf Reize. Ich wusste es schon in diesem Moment, dass es nun vorbei war.

Wir versuchten natürlich trotzdem sie zum Atmen zu bringen. Ich stimulierte ihren Brustkorb, dann reanimierten wir. Wir beatmeten Sie und Stefan ließ sich am Telefon von der Rettung die Herzdruckmassage anleiten.

Irgendwann traf dann auch die Rettung ein und übernahm. Haylie wurde die Kleidung vom Leib geschnitten und die Pads vom Defibrillator angeklebt. Ein Schock wurde aber nicht empfohlen. Im Nachhinein wurde mir dann auch klar, dass das Gerät nicht einmal mehr ein Kammerflimmern aufzeichnen konnte, und daher der Schock nicht empfohlen wurde.

Die Notärztin traf dann auch ein und saugte erst mal viel ab, da Haylies gesamter Mageninhalt durch die Reanimation heraufkam. Sie wurde auch mit dem Ambo Beutel beatmet. Nach einer Weile kam die Ärztin zu uns und sagte das Haylies Herz von selbst nicht mehr schlagen würde und sie keinen funktionierenden Kreislauf mehr habe. Sie könnten alle Register ziehen und alles versuchen, aber Sie würde uns davon abraten. Haylie würde selbst wenn es gelingen würde sie „zurück zu holen“, nicht mehr dieselbe sein. Sie würde dann an Maschinen hängen, würde vielleicht schlimme Schmerzen haben, und würde vielleicht nie mehr aufwachen.

Ich wusste erst nicht was ich machen sollte. Ich war komplett überfordert. Es kam alles so überraschend, wir waren nicht bereit. Ich war nicht bereit. Ich wollte so gern für sie stark sein in diesem Moment. In meiner Vorstellung hätte ich gesagt wir lassen sie gehen, hätte sie gehalten während sie gestorben wäre und hätte sie meinen Herzschlag spüren lassen. Hätte ihr das Gefühl von Sicherheit gegeben. Hätte sie umarmt und ihr gesagt es ist ok. Sie darf gehen.

Aber ich war nicht so stark. Ich wollte sie nicht gehen lassen. Ich fragte ob man noch Adrenalin versuchen könnte und ob wir sie am Leben halten könnten bis ihr Papa da ist. Damit wir alle zusammen sein können, wenn der Moment da ist und sie geht.

Sie haben das auch versucht. Aber es war einfach nicht möglich in diesem Zustand einen Zugang zu stechen. Die Ärztin verlangte den Knochenbohrer um eine Knochennadel zu legen. Da war es vorbei mit mir.

Ich rief laut „Stopp!“ Das wollte ich nicht mitansehen. Das wollte ich meinem Mädchen nicht antun. Mit diesem Wort war die Grenze erreicht. Wir mussten sie gehen lassen. Es gab keinen anderen Ausweg.

Die Ärztin sagte mir mehrmals es sei die richtige Entscheidung, und dennoch kann so eine Entscheidung doch niemals richtig sein. Es ist einfach verkehrt – das alles war falsch. So hätte das alles nie sein sollen. Sie hätte gesund sein sollen, ein schönes Leben führen und ich hätte definitiv vor ihr sterben sollen.

Aber es ist anders gekommen, anders als wir trotz Diagnose und trotz anstrengender Pflege, trotz Alltag mit vielen Einschränkungen, irgendwie immer gehofft hatten.

Wir legten unsere leblose Maus also wieder hinauf auf ihre Couch, streichelten ihr Haar, wuschen ihr das Erbrochene aus dem Gesicht und dem Haar. Ich wechselte ihre Windel und zog ihr ein hübsches blaues Kleid an. Dann nahm ich sie auf meinen Schoß und legte Ihren Kopf zu meinem Herzen. Ich kuschelte mit ihr und sagte ihr noch viele Dinge. Ich streichelte sie, küsste sie, versuchte mir ihr wunderschönes, friedliches Gesicht in jedem Detail einzuprägen.

Dieser Tag war so schön, und endete so tragisch.

Wir kuschelten noch stundenlang, Haylies Papa kam, kuschelte stundenlang. Unsere Familien kamen, streichelten Sie, weinten, kuschelten, verabschiedeten Sie. Dann kuschelte ich wieder mit ihr. Immer wieder weinten wir, sprachen mit ihr und über sie. Alle kamen und sagten ihr wie sehr sie sie lieben und wie viel sie alle von ihr lernen durften. Später kam Haylies Papa noch einmal mit seiner Mama, damit auch Sie sich verabschieden konnte.

Der Arzt kam dann auch noch in Begleitung der Polizei, zu Totenbeschau und um alle Daten aufzunehmen, und als es dann ruhig wurde und alle nachhause fuhren, legten wir unsere Maus in ihr Bett, so wie wir es jeden Abend machten. Wir legten ihr ihren Wurm zwischen Arme und Beine zum kuscheln und deckten Sie zu. Sie sah die ganze Zeit wunderschön aus, als würde sie einfach nur friedlich schlafen.

Ich lag noch eine Weile bei ihr, bis ich dann auch irgendwann müde wurde und mich in mein Bett legte.

Haylie konnte dann noch bis zehn Uhr vormittags bei uns bleiben, wir konnten alle nochmal kuscheln und die letzten Stunden mit ihr verbringen, bis sie dann vom Bestatter abgeholt wurde.

Dieser Moment war der schwerste für uns alle. Wir legten Sie auf die Trage und gaben ihr noch letzte Küsse. Dann wurde der Sack geschlossen und sie war weg.

Dieser Tag war der schwerste von allen, bis jetzt.

Meine Tochter ist tot. Sie ist fort. Meine erstgeborene, mein großes Mädchen. Mein Herz.

All die Jahre hat sie mich inspiriert, hat mich motiviert. Hat mich verändert, mich verbessert. Immer wieder hat sie mir Kraft gegeben, mir Mut gemacht, mich niemals aufgeben lassen.

Und nun ist sie tot.

Und auch wenn ich immer wusste, dass der Tag kommen würde, so hatte ich doch immer gehofft sie noch länger bei uns haben zu dürfen. Aber Haylie hatte genug. Sie hatte genug vom Kämpfen, und genug davon das jeder Atemzug anstrengend war. Sie hat für uns so lange durchgehalten, hat uns noch jeden unserer Wünsche erfüllt. Sie konnte ihre kleine Schwester noch 20 Monate lang kennen lernen und ihre Liebe spüren, wir konnten noch einen wunderschönen Familienurlaub am Meer machen, und sie hielt sogar noch bis zu unserer Hochzeit durch und schenkte mir den schönsten Tag im Leben. Selbst die vielen Lungenprobleme und die Magendarm Grippe hat sie überstanden, bestimmt weil sie einfach nicht im Krankenhaus sterben wollte. Sondern daheim, bei uns. Im Kreise der Menschen die sie so sehr liebten. Und nun war ihre Zeit gekommen. Sie wollte in ihr neues Leben starten, einem in dem sie laufen und lachen und gesund und glücklich sein darf.

Und das hat sie sich auch wirklich verdient. Ich schließe Frieden mit ihrem Entschluss, auch wenn es mir so sehr weh tut, nun ohne Sie weiterleben zu müssen. So kann ich sie auch verstehen. Sie hat es verdient ohne Anstrengung und ohne unangenehme Gefühle (wie beim absaugen) und ohne Schmerz zu sein.

Wir leben weiter. Das müssen wir, das hätte sie sich von uns gewünscht.

Wir sprechen weiterhin von ihr, jeden einzelnen Tag. Wir sagen ihr weiterhin jeden Morgen „Guten Morgen“ und jeden Abend „Gute Nacht“ und wie sehr wir sie lieben. So wie wir es schon immer machten, jeden Tag. Unsere Liebe bleibt, und wird für immer bleiben.

Wir kämpfen weiter in ihrem Namen für die Heilung von Tay-Sachs und für eine bessere Versorgung von palliativ erkrankten Kindern in Österreich. Wir verbreiten ihre Botschaft weiterhin, dass Liebe das allerwichtigste ist, und werden durch ihre Geschichte auch weiterhin die Herzen der Menschen verändern.

Für unsere starke Maus. Unsere Superheldin!

Unser Liebe ist unendlich.

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#bringbackthelove Adventskalender Tür Nr. 16

Die heutige Geschichte ist recht lang, daher spar ich mir ein langes Vorwort und wünsche euch gleich viel Freude beim Lesen! Haltet durch und lest bis zum Ende!!

Tür Nummer 16: Das Zweite Leben meiner Tochter

Diese Geschichte beginnt schon früh an einem Sonntagmorgen, es ist der 11. Januar 2015. Wir sind dabei uns fertig zu machen. Unser drei Jahre alter Sohn ist schon aus dem Haus. Er ist bei seiner Oma, meiner Schwiegermutter, und deren zweiten Ehemann.

Gerade sind meine Freundin, ihre Tochter und ihr Lebensgefährte dabei für ihren heutigen Ausflug alles fertig zu packen, mein Ehemann liegt noch im Bett und ich füttere unser 13 Monate alte Tochter, damit sie fit und munter ist für die zweistündige Fahrt mit den dreien.
Sie ist heute wieder so fröhlich und strahlt wie die Sonne und so schafft sie es, dass ich noch ein paar Bilder von ihr mache, die letzten bevor dieser schlimme Unfall geschieht, der unser aller Leben für immer verändern soll.

Während ich die Fotos von meiner strahlenden Tochter schoß und als die vier kurze Zeit später mit dem Auto losfuhren, hatte ich ein mulmiges Gefühl. Doch ich tat dieses Gefühl ab mit der Begründung, dass ich einfach überreagiere wie jede Mutter, die ihr Kind in andere Hände gibt, und das schon nichts passieren würde und ich heute Abend meine beiden Kinder wieder wohlbehalten Zuhause hätte.

Sabrina und Sven waren so nett unser Töchterchen mitzunehmen, damit mein Ehemann und ich die Gelegenheit bekommen unsere Ehekrise in den Griff zu bekommen.

Doch leider war mein Ehemann zu verunsichert und wohl auch zu ängstlich und so teilte er mir eine Stunde nachdem unsere Freunde und unsere Tochter losgefahren sind mit, dass er seinen Arbeitskollegen bei der Arbeit besuchen möchte und machte sich zu Fuß auf den Weg.

So war ich alleine. Um kurz vor 12 Uhr Mittags schickte mir meine Freundin eine Nachricht, dass sie alle gerade eine kurze Pause gemacht haben und das sie in maximal einer Stunde an ihrem Reiseziel ankämen.

Ich weiß, einige Leser werden jetzt wohl denken, dass ich spinne oder dass ich völlig den Verstand verloren hätte, dass ich das jetzt schreibe, aber ich kann nicht anders und vielleicht gibt es jemanden, der das folgende irgendwie nachvollziehen kann.

Zwanzig bis fünfundzwanzig Minuten später, ich war gerade dabei Wäsche aufzuräumen, blieb ich plötzlich mitten im Flur stehen. Mein Herz raste und schmerzte, mir schossen Tränen in die Augen und ich dachte: „Jetzt ist was schlimmes passiert.“ Aber kurz darauf schüttelte ich denn Kopf und schallt mich in Gedanken. „Du spinnst. Reagier jetzt nur nicht über. Es ist nichts Schlimmes passiert“, dachte ich.

Eine halbe Stunde später klingelte das Telefon und ich sah, dass der Lebensgefährte meiner Freundin anrief.

„Hi“, sagte ich, „was gibt’s?“ „Wo ist dein Mann?“, fragte er mich. „Der ist noch unterwegs. Was ist los?“ „Setzt dich bitte hin.“

Ich glaube nach diesem Satz wusste irgendetwas in mir, dass etwas schlimmes passiert ist. Nach viel Überreden von ihm, setzte ich mich doch und hörte den schlimmsten Satz meines Lebens, so glaubte ich zu diesem Zeitpunkt.

„Es tut mir so schrecklich leid. Ich kann dir gar nicht sagen wie sehr. Wir hatten einen Autounfall. Ich hab nicht bemerkt, dass die Autos stehen. Aber deiner Kleinen geht es gut. Uns allen. Deine Kleine wird gerade vom Notarzt untersucht. Sie hat sich wohl auf die Zunge gebissen.“

Er versuchte den Notarzt ans Telefon zu bekommen, aber er konnte den Notarzt nicht dazu bewegen mit mir zu sprechen. Er sprach noch kurz mit mir, er konnte mir nicht sagen in welches Krankenhaus sie gebracht werden. Aber ich hörte ihm kaum noch zu, sobald ich hörte, dass was passiert war, das meine kleine strahlende Tochter verletzt war, Schmerzen hatte, dass ich bei dem schlimmsten, das ihr passieren konnte nicht bei ihr war und dass mir keiner sagen konnte, wohin man sie bringen wird, ging bei mir irgendein „Schalter“, ein besseres Wort fällt mir nicht ein, aus.

Ab diesem Zeitpunkt lief ich nur noch auf Autopilot und all meine Emotionen waren einfach weg. Es war als würde eine völlig andere Person meinen Körper übernehmen und alles für mich regeln. Ich beendete das Gespräch, rief meinen Mann an und sagte ihm, dass er sofort nach Hause kommen soll, alles andere würde ich ihm dann erzählen, und fing an für uns beide eine Reisetasche zu packen. Ich weiß nicht mehr, wer von uns, mein Ehemann oder ich oder wann, meine Schwiegermutter angerufen hat, ihr erzählte, was passiert ist und sie bat auf unseren Sohn aufzupassen. Natürlich hat sie das gemacht und war zutiefst besorgt. Wahrscheinlich hätte sie auch am Liebsten alles stehen und liegen gelassen und hätte uns begleitet.

Als ich meinem Mann erzählte, was passiert war, war er zutiefst besorgt und stellte mir die gleiche Frage, die auch ich gerne beantwortet bekommen hätte, wo unsere Tochter hingebracht worden sein. Ich rief in meiner Not auch die Autobahnpolizei an, aber die konnte uns auch nicht weiterhelfen, weil wir nicht genau wussten wo genau sich der Unfall ereignet hatte.

Also hieß es für uns Zuhause fast zwei Stunden zu warten bis endlich das Telefon klingelte und das Krankenhaus am Ende der Leitung uns einen groben Überblick verschaffte über den Zustand unserer Tochter. Diese hatte einen Schock, ein Schleudertrauma und eine teilweise durchgebissene Zunge, die operativ wieder vernäht werden musste. Am Besten in einem Zeitraum von fünf Stunden, ab den Zeitpunkt des Unfalls.

Wir stiegen nach dem Anruf direkt ins Auto und fuhren los. Diese zwei Stunden Fahrt waren wohl die schlimmsten und nervenaufreibenden unseres Lebens. Es waren die schlechtesten Gegebenheit für jemanden, der schnell irgendwo hin wollte. Hagel, Regen, Blitzeis, Nebel und Sonnenschein, der auf der nassen Fahrbahn so schlimm widergespiegelt wurde, dass man nichts mehr sehen konnte. Nach zweieinhalb Stunden fahrt ohne Pause waren wir endlich am Ziel und stürmten ins Krankenhaus, in die Kindernotfallaufnahme.

Als ich endlich bei meiner Tochter im Krankenzimmer war, traf mich fast der Schlag. Da lag sie. In einem hohen Gitterbettchen mit Rädern und war vom vielen weinen ganz heiser. Am liebsten hätte ich mich in Tränen aufgelöst, aber als meine Tochter mich hörte und sah schrie sie auf und weinte noch viel schlimmer, als ob sie mir all ihren Kummer und Schmerz mitteilen wolle. Mein Mutterinstinkt übernahm die Kontrolle und so nahm ich mein kleines Mädchen aus dem Bett und in meine Arme.

Dabei stellte ich mit Schrecken fest, dass sie ihren eigenen Kopf nicht mehr selbst halten oder bewegen konnte.

Es war so als ob ich einen Säugling im Arm halten würde. Wo mein Ehemann in dem Moment war, das war mir egal und später musste ich feststellen, dass ich es auch nicht mal mehr genau hätte sagen können.

Eine Kinderkrankenschwester kam ins Zimmer und begrüßte mich, kurz danach kam auch eine junge Assistenzärztin. Sie informierte mich darüber, dass meine Tochter gleich operiert werden muss, dass sie traumatisiert sei und das sie ein Schleudertrauma hätte. Da stellte ich die wohl logischste Frage:

„Wurde meine Tochter deshalb schon geröntgt?“

Ihre Antwort war unschlagbar und im nach hinein hätte ich mich damit nicht zu frieden geben dürfen:

„Nein, das wurde sie nicht. Wir machen das bei so kleinen Kindern sehr ungern, weil dadurch das Krebsrisiko steigt und meistens stellt sich dabei eh heraus, dass die Kinder nichts haben.“

Und dann sagt mir die Assistenzärztin, dass ich meine Tochter gar nicht hätte aus dem Bett nehmen dürfen, geschweige denn auf den Arm. Bei dieser Aussage merkte ich selbst, wie mir das Blut aus dem Kopf und den Extremitäten wich. Vorsichtig legte ich meine traumatisierte Tochter zurück ins Bett, woraufhin sie direkt wieder anfing loszuweinen, und setzte mich auf einen Stuhl. Meine Sicht verschwamm, meine Arme und Beine zitterten. Innerlich führte ich einen Kampf aus zwischen dem Bedürfnis bei meinem Kind zu bleiben und der Ohnmacht, die dabei war mich zu übermannen. Die junge Assistenzärztin bekam davon nichts mit, sie war viel zu sehr damit beschäftigt an meinem Kind herumzufingern.

Als mir die Kinderkrankenschwester doch einen Hocker brachte, registrierte ich wie mein Ehemann zur Tür herein kam und ihm bei meinem Anblick etwas blass um die Nase wurde. Danach verschwimmt alles. Sehr lange Zeit später registrierte ich, dass ich ab diesen Zeitpunkt all meine Emotionen abgeschaltet hatte.

Unsere Tochter wurde operiert und kam auf die Intensivstation über Nacht, weil sie die Narkose nicht vertragen hatte und ins Koma gefallen ist und sogar einen Atemstillstand hatte. Zum Glück hatte ich den Ärzten vorher mitgeteilt, dass ich selbst auch nicht jedes Narkosemittel vertrage, so waren sie gut vorbereitet.

Nachdem sie endlich wieder wach war, durfte ich sie auch bis sie wieder eingeschlafen war im Arm halten. Am nächsten Tag kam sie wieder zurück in die vorige Station. Immer noch konnte und wollte unsere Tochter nicht ihren Kopf bewegen. Ihr Kopf lag immer auf der linken Seite und selbst als ich sie zum Spielen motivierten wollte bewegte sie ihren Kopf nicht und auch nur schwach die Arme.

Ich ging zur Stationsschwester und fragte, was heute noch passieren würde. Sie meinte, dass wir heute entlassen werden sollen. Bei der Aussage blieb mir das Herz stehen.

„Und das obwohl sie überhaupt nicht den Kopf bewegt oder generell mal aufsteht? Sie kann laufen und sitzen und liegt doch nur in ihrem Bett. Egal was ich mache. Und wenn wir den Kopf berühren wimmert sie“,

sagte ich. Die Schwester versicherte mir, dass sie die Ärzte nochmal darauf ansprechen würde und schaute sich unsere Kleine selber nochmal an und fand ihr Verhalten auch sehr merkwürdig. Eine Stunde später kam die Schwester und sagte uns, dass sie jetzt unsere Tochter zum Röntgen bringen würde. Das ging zum Glück sehr schnell. Sie wurde in Ihrem Gitterbett von der Schwester zum Röntgenraum geschoben, wir sind wie in Trance hinterher gelaufen. Das Röntgen fühlte sich wie eine Ewigkeit an und als es beendet war ging es zurück ins Krankenzimmer. Auf den Rückweg ins Krankenzimmer trug die Schwester unsere Tochter auf dem Arm, was mich fast wahnsinnig vor Angst machte, und versicherte mir, dass schon nichts schlimmes zu sehen seien würde.

Ich glaubte ihr nicht, so wie ich enttäuscht feststellen musste, sie und die Ärzte mir auch nicht.

Als unsere Tochter von der Schwester wieder ins Bettchen gelegt wurde, hatte sie nicht darauf geachtet wie sie den Kopf ablegte, bisher schaute sie immer nach links und jetzt lag sie da und schaute nach rechts und war wieder bitterlich am Weinen. Wie in Trance und im Zeitlupentempo drehte ich den Kopf von unserer Kleinen von rechts wieder nach links. Wie mein Mann mir später sagte war es für ihn trotz Sanitätsausbildung nicht möglich dies durchzuführen.

Genau 24 Stunden nach dem Unfall wurde unsere Tochter aus dem Zimmer geholt um von ihr ein MRT und CT machen zu lassen, da sich in den Röntgenbildern Auffälligkeiten an ihrer Halswirbelsäule zeigten. Wir besuchten unsere Freundin und ihre Tochter, die auf der gleichen Station waren, nur ein Zimmer weiter. Ihnen war nicht viel passiert. Sie waren traumatisiert und hatten Abschürfungen. Ihren Lebensgefährten hatte es deutlich schlimmer erwischt. Er hatte eine Verletzung am Bein und am Auge. Als wir gerade wieder ihr Zimmer verließen, mein Mann hatte noch den Griff der Tür in der Hand und die Tür war noch nicht ganz zu, kam ein Arzt auf uns zu und stellte sich als gestriger Notfallarzt vor und dann sagte er:

„Was Ihrer Tochter passiert ist, ist schon erstaunlich. Das ist eine schlimme Verletzung und schwer festzustellen. Unsereins wäre bei solch einer grch.“

Und beim letzten Wort, naja eher Geräusch, zog er seinen Zeigefinger über seinen Hals, wünschte mir einen schönen Abend und ging.

Wir waren völlig sprachlos und ich fast am Durchdrehen. Solch eine Info mal eben auf dem Stationsflur quasi im Vorbeilaufen mitzuteilen, zweifelt man an gesunden Menschenverstand.

Ich sagte meinem Mann, dass er nach Hause fahren sollte und morgen wieder kommen soll mit Kleidung für mindestens eine Woche. Er wollte nicht gehen, aber schließlich konnte ich ihn überreden und er fuhr nach Hause. Vier Stunden dauerte es bis ich endlich von den Ärzten einen Bericht erhielt. Mein Mann war schön längst gut Zuhause angekommen.

Ein anderer Arzt kam zu uns, ob Mann oder Frau, das weiß ich nicht mehr. Er sagte mir, dass unsere Tochter wieder auf der Intensivstation liegt, in einem künstlichen Koma, dass der Anblick sehr erschreckend seien könnte und das gleich weitere Ärzte kommen würden um mir zu erklären, was los ist.

Unsere Tochter hatte einen Abriss des zweiten Halswirbels, bei Erwachsenen nennt man so etwas Genickbruch, aber bei so kleinen Kindern nicht, weil dieser Bereich eher aus Knorpelgewebe besteht und erst später verknöchert.

Später erfuhr ich, dass man solch eine Verletzung als innere Köpfung bezeichnet.

Des Weiteren waren die Bänder im Genick zerrissen. Zum Glück waren die größeren Blutgefäße noch intakt, sonst wäre unsere Tochter schon längst innerlich verblutet. Wir waren vier Wochen lang mit ihr im Krankenhaus. Unsere Tochter lang ungefähr fünf Tage davon im künstlichen Koma. In dieser Zeit entwickelte ein sehr engagierter Kinderchirurge und ein Orthopäde eine spezielle Torusorthese, die mehrmals angepasst und Verändert wurde. Die vorderen Polsterungen waren Teile eines Tiefseetaucheranzugs. Hinten bedeckte die Orthese den kompletten Hinterkopf bis den Rücken runter und der Kopf war zwischen 20 und 30 Grad nach hinten geneigt.

Wir ließen uns alle Berichte aus der Krankenakte unserer Tochter kopieren und erfuhren so, dass sie nicht nur den Zungenbiss, die innere Köpfung und den kompletten Abriss der Nackenbänder hatte, sondern auch noch 24 Stunden nach dem Unfall freie Flüssigkeit im Bauchraum und ein Hämatom im Nacken hatte, ungefähr dort wo das Kleinhirn in den Spinalkanal übergeht.

In diesen vier Wochen waren nicht nur wir als Eltern hilflos, sondern auch die behandelnden Ärzte. Uns wurde gesagt, dass unsere Tochter wahrscheinlich nicht mehr laufen wird, sie aber trotzdem Krankengymnastik bekommen soll während ihres Aufenthalts. So kam es dann auch und schon nach der ersten Stunde fing unsere Tochter wieder an sich hin und her zudrehen und sich aufzusetzen. Auch das robben und krabbeln wurde fleißig von ihr selbst aus geübt.

Auch hatte ich schon während unserem Krankenhausaufenthalt versucht einen Physiotherapeuten für unsere Tochter zu finden, doch dies war vergeblich. Keiner wollte sie behandeln, entweder wegen ihres zarten Alters oder wegen der Verletzung und deren Behandlung.

Als wir nach Hause durften waren wir völlig überfordert und hatten keine Ahnung wie es weitergehen sollte. Mein Mann und ich hatten unsere Ehekrise in den Griff bekommen und die Ärzte hatten uns gesagt, dass wir ins SPZ gehen können, doch was das genau ist und was dort gemacht wurde hatten sie uns nicht gesagt. Durch unseren Hausarzte, Familie und Freunde haben wir erfahren, dass wir Pflegegrad beantragen könnten und dass es einen Spezialisten in Karlsbad gibt, der sich unsere Tochter anschauen und auch evtl. operieren würde, was die vorigen Ärzte als unmöglich abgetan hatten. Dann mussten wir auch nach einem neuen Zuhause suchen, da wir schwarzen Schimmel in unsere Wohnung entdeckt hatten und auch festgestellt wurde, dass alle Wände von unten nach oben sich mit Wasser vollsaugen. Unser Sohn benötigte auch spezielle Aufmerksamkeit, da er durch eine längere Erkrankung fast taub war, was operativ behoben wurde, und nun regelmäßig Logopädie benötigte.

Das tägliche Leben war von einen Moment zum anderen anders. Es gab so viel zu berücksichtigen. Das Essen für unsere Tochter musste püriert und nur in ganz kleinen Häppchen gefüttert werden. Jedes Verschlucken konnte lebensbedrohlich werden. Ein paar Mal ist dies passiert und ich musste sie kopfüber halten und kräftig auf den Rücken klopfen. Auch ein gewöhnlicher Schnupfen war nicht ohne Risiko. Sie musste täglich mehrmals inhalieren, Nasentropfen bekommen und es musste ein Nasensauger benutzt werden.

Unsere Tochter schlief nachts in einem Reisebett in unserem Schlafzimmer oder sie schlief gleich in unserem Bett. Auch musste unsere Tochter soweit es eben ging täglich gewaschen, eingecremt und Pflaster gewechselt werden, dies ging nur zu zweit. Auf den Schultern und ihrer Stirn mussten Blasenpflaster geklebt werden, da die Orthese an diesen Stellen besonders kräftig scheuerten. Doch die Pflaster halfen auf der Stirn nicht und deshalb bekam sie eine dauerhaft offene nässende Wunde. So wurde das abendliche Ritual durch viele Tränen und Schreien begleitet.

Zwei Monate nach dem Unfall erlernte unsere Tochter wieder das Laufen und war danach nicht mehr zu bremsen. Allerdings entwickelte sie auch eine unmögliche Angewohnheit. Wenn ihr etwas nicht gefiel, ließ sie sich einfach nach hinten fallen. So wurde uns bewusst, dass sie kaum Schmerzen empfand am Hinterkopf und sie kaum auf ihre Umgebung achtete.

Ungefähr drei bis vier Monate trug sie diese große Orthese, anschließend musste sie vier weitere Monate eine feste flexible Stoffhalskrause tragen. In dieser Zeit hatten wir viele Termine bei unterschiedlichen Ärzten und in einem glichen sie sich alle: Sie trauten sich nicht zu unsere Tochter zu behandeln.

In dieser schweren Zeit wurden wir als Eltern immer wieder bis an unsere Grenzen und darüber hinaus getrieben. Wir merkten schnell, dass es für unsere Umwelt schwer war sich in unsere Situation hinein zu versetzen. Die schönsten Augenblicke waren die Lächelnden. Es war egal, ob unsere Tochter oder unser Sohn lachte. Es gab einfach Kraft. So manche Situation änderte auch unsere Denkweise und unseren Blickwinkel. Bei mir selbst schalteten sich irgendwann die Emotionen wieder ein und ich wurde von Albträumen geplagt. Schrecklich fand ich die Albträume, in denen mein Kopf das „wäre wenn“ durch machte und mir zeigt, was hätte alles im Krankenhaus passieren und wie es im schlimmsten Fall für unsere Tochter hätte ausgehen können. Auch wenn kein Arzt es sagte, so wusste ich schon beim Hören der Diagnose: Ein Fehler von den Ärzten und unsere Tochter stirbt. So entwickelte ich eine sehr heftige Schlafstörung. Nachts schlief ich höchstens drei Stunden und tagsüber maximal zwei, wenn unsere Tochter auch schlief. Wenn ich schlief und dann wieder aufwachte, war ich so in Panik, dass ich erst einmal losrannte und nachschaute, ob meine beiden Kinder noch lebten. Auch tagsüber hatte ich Momente, in denen ich dachte, dass das alles nur ein Traum sei, dass unsere Tochter noch da ist und im Laufstall gerade spielt und fröhlich vor sich hin brabbelt. Ich stellte auch fest, dass ich nur noch funktionierte und nur noch das Nötigste machte. Ende des Jahres, kurz vor Weihnachten, hatten wir endlich eine neue Wohnung gefunden, die wir im April 2016 beziehen konnten.

Doch das Jahr war nicht nur für uns Eltern und unsere Tochter schwer gewesen, sondern auch für unseren Sohn. Rückblickend muss ich sagen, dass wir Fehler gemacht haben und viel früher hätten handeln sollen. Unser Sohn wurde in der KiTa plötzlich aggressiv und auch Zuhause änderte sich sein Verhalten massiv. Wir erfuhren, dass unser Sohn gerne von anderen Kinder geschlagen und getreten wird. Das brachte das Fass zum Überlaufen und wir brachten ihn nicht mehr in die KiTa. In der Nähe unserer neuen Wohnung war eine integrative Kindertagesstätte und so beschlossen wir für unsere beiden Kinder einen Antrag auf einen Integrationsplatz und häusliche heilpädagogische Förderung zu stellen.

Wir wollten auch für unsere Tochter einen Antrag auf Pflegestufe stellen, aber uns wurde geraten die Änderungen für 2017 abzuwarten und dann einen Antrag zu stellen, so hätten wir bessere Chancen. Kurz vor unserem Umzug hatten wir den Termin beim Gesundheitsamt und so erfuhren wir, dass unsere Tochter Probleme mit den Ohren und den Augen hat. Für beide Kinder wurde der Integrationsplatz genehmigt. Dies freute uns sehr und erleichterte uns auch, weil es wieder unser Bauchgefühl bestätigte. Nun hatten wir auch den Kopf etwas frei.

Mein Mann bemühte sich um einen stationären Therapieplatz und auch ich suchte nach einem Traumatherapeuten. Des Weiteren kündigte mein Mann seine Arbeitsstelle, da diese sich nicht mehr mit unserer Lebenssituation zu vereinbaren war. Mein Arbeitsplan legte ich auf Eis und kümmerte mich um die Kinder, alle anstehenden Termine und nach einer gefühlten Ewigkeit auch um mich selbst. Da meine Schlafprobleme nicht besser wurden, ließ ich mir von unserem Hausarzt Schlaftabletten für eine Woche verschreiben und ich hab so gut geschlafen, wie seit langem nicht mehr. Auch ohne Tabletten konnte ich fünf Stunden am Stück schlafen und es wurden langsam mehr. Ich fühlte mich einfach super. Wir machten viele Ausflüge als kleine Familie.

Bei ein paar Augenarztbesuchen stellte sich heraus, dass unsere Tochter eine hohe beidseitige Weitsichtigkeit (+10 Dioptrin) und eine leichte Hornhautverkrümmung hat. Auch unser Sohn ist Weitsichtig, aber nur minimal.

Dem Päd.-Audiologen unseres Sohnes stellten wir auch unsere Tochter vor und dieser stellte fest, dass das Mittelohr nicht richtig belüftet wird und die Polypen vergrößert sind. Wir bemühten uns selbstständig um eine Familienhilfe, damit wir wieder eine Normalität und ein Gleichgewicht als Familie finden.

Heute, 2 ½ Jahre später, kurz vor dem dritten Weihnachten nach dem Unfall versuchen wir das Leben zu genießen. Natürlich gibt es Höhen und Tiefen und es gibt noch jede Menge Ungewissheiten was die Zukunft betrifft. Es gibt auch Konflikte mit unseren Verwandten, da sie uns nicht verstehen. Doch wir wissen wir haben einander und wir können vieles überstehen. Als Eltern darf man sich selbst nicht vergessen, denn dann kann man auch seinem Kind nicht helfen. Diese Erkenntnis hat etwas gedauert bei uns anzukommen. Nun bemühen wir uns.

Unser Sohn kommt nach einem Jahr extra Kindergartenzeit nächstes Jahr in die Schule und wir sind schon ganz aufgeregt und gespannt. Der Kindergartenwechsel hat ihm sehr gut getan und er hat so viele große erstaunliche Fortschritte gemacht und endlich viele Freunde gefunden. Er hat sich zu einem liebenswerten und freundlichen Kind entwickelt, dass mit seinem Charme jeden um den Finger wickelt. In der Einrichtung bekommt er alle Therapien, die er benötigt und keiner ärgert ihn mehr wegen seiner sprachlichen Probleme.

Unsere Tochter hat noch einen etwas längeren Weg vor sich mit weiteren Untersuchungen. Noch ist offen, ob sie unter einer Form von Epilepsie leidet, ob ihr Nervenkanal in der Wirbelsäule richtig funktioniert und ob sie richtig sprechen wird. Doch sie weiß sich durch aus selbst zu helfen. Wenn nicht, dann sucht sie sich sehr energisch ihre Hilfe. Auf ihre eigene sehr charmante Art und Weise. Was sich nicht geändert hat ist ihre Fröhlichkeit. Ihre Lebensfreude wirkt heute viel intensiver als vor dem Unfall und ist sehr ansteckend. Selbst wenn keiner ihre Worte versteht, so bringt sie doch die traurigsten Menschen mit ihrer Art und Weise zum Lächeln.

Am 11.12.2017 wurde wieder ein MRT von dem Kopf und der Wirbelsäule unserer Tochter gemacht. Es gab Auffälligkeiten auf der rechten Seite ihres Kleinhirns. Was das genau bedeutet und welche Auswirkungen das hat, wissen wir noch nicht. Doch das ändert nichts. Wir wissen, dass wir ganz besondere Kinder haben. Wir wissen, dass unsere Tochter eine unglaubliche Kämpferin ist und das gibt uns Kraft.

Mehr als alles andere.

Vielen Dank liebe Dominique für diese bewegende Geschichte! Mit viel Liebe und Herz kann man alles überstehen! Noch eine wunderschöne Adventszeit wünsche ich euch!!

Hier könnt ihr euch das Video über den Unfall ansehen: https://www.youtube.com/watch?v=zd9Q8FIPtJg

Was ich hier ergänzend noch sagen möchte: Diese Verletzung wäre in einem Reboarder, also in einem Kindersitz der gegen die Fahrtrichtung gerichtet ist, mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht passiert. Gerade wenn es um einen Frontalaufprall geht, sind Kinder unter 4 Jahre in einem Reboarder einfach viel sicherer! Dazu findet ihr online viele Infos und es gibt einige Youtube Videos zu dem Thema. Ich empfehle wirklich jeder Mama sich gut zu informieren bevor ihr das MaxiCosi oder eure Babyschale weggebt und einen neuen Kindersitz kauft!

Euren Kindern zu liebe – so lange es geht gegen die Fahrtrichtung!

#bringbackthelove Adventskalender Tür Nr. 14

In zehn Tagen ist schon Weihnachten! Wir freuen uns schon sehr auf dieses Fest – da wir es zum Zweiten Mal zu Viert feiern können. Und für Haylie ist es nun schon das 8. Weihnachtsfest! Es ist manchmal kaum zu glauben, dass sie es mit dieser Diagnose wirklich so weit geschafft hat. Die meisten Kinder sterben mit dieser Krankheit, wie ihr wisst, schon im 3. Lebensjahr, und nur die wenigsten erreichen das 5. Und Haylie wird in 6 Monaten nun schon 8 Jahre alt werden, wenn sie weiter so kämpft.

Sie inspiriert mich jeden Tag, schenkt mir so viel Freude und Dankbarkeit.

Aber auch die Geschichte im heutigen #bringbackthelove Adventskalender hat mich sehr inspiriert. Als ich sie auf Facebook gelesen hat, nachdem sie von Birgit (einer lieben Fotografin die ich 2016 ehrenamtlich engagieren konnte um die Fotos der Kinder auf unserer Tay-Sachs Konferenz zu machen) geteilt wurde, ging mir direkt das Herz auf.

Sofort überkam mich eine Dankbarkeit, ein Gefühl von Gänsehaut. Pure Liebe.

Vielleicht habt ihr die Geschichte selbst schon auf Facebook gelesen, aber falls nicht, möchte ich auf keinen Fall das ihr sie verpasst und so darf ich sie heute auch hier mit euch teilen!

Schnappt euch ein Taschentuch und vergesst nicht bei Tanja von Rohdens Profil vorbeizuschauen und der Seite von „Dein Sternenkind“ unbedingt euer Like zu geben. Diese Fotografen leisten einen unglaublich schweren aber auch so wichtigen Job – Sie haben unsere Unterstützung verdient!

Viel Freude beim Lesen!

Tür Nummer 14: Das Wunder Paulina – von Tanja von Rohden

„Wir müssen unsere kleine Paulina gehen lassen und ich wollte dich fragen, ob du Aufnahmen von uns machen würdest, wenn Paulina geboren wird. Wir wissen nicht genau wann ihr Herz aufhören wird zu schlagen.“

Diesen Satz las ich am 01.02. dieses Jahres als ich mich gerade mit meinen lieben Sternenkindfotografen zum Austausch in einem Restaurant treffen wollte. Ich blieb vor dem Lokal stehen und las die Mail noch mal.. Nur zwei Sätze.. aber wie schwer muss es der Mama gefallen sein, diese zu schreiben..

Ich erzählte gleich meinen Kollegen von dem uns bevorstehenden Einsatz.. Zu dem Zeitpunkt war die Mama in der SSW 24+3.

In den nächsten drei Tagen habe ich jeden Tag mit der lieben Mama geschrieben.. am 04.02. las ich, dass Paulina immer schwächer wird.. so schwer auch für mich diese Zeilen zu lesen.. und unvorstellbar, wie diese Zeit für die Eltern ist.. zu hoffen, Bewegungen zu spüren.. die Angst, wenn es ruhiger ist.. ruhiger wird… Wir hielten uns bereit.. wir alle … jederzeit losfahren zu können..

Was war passiert?

Bei einer Routineuntersuchung in der 23 SSW stellte die Frauenärztin fest, dass Paulina seit drei Wochen nicht mehr gewachsen ist… zudem sieht man nur noch sehr wenig Fruchtwasser. Eine weitere Untersuchung im UKSH steht fest: Ihr geht es gar nicht gut, die Eltern müssen jeden Moment damit rechnen, dass ihre Tochter im Bauch einschläft. Fassungslosigkeit – die Mama schreibt mir, dass sie sich zu dem Zeitpunkt in einer Grauzone bewegten. Paulina ist in der 23.SSW und wiegt unter 500g. Kommt sie nun zur Welt, werden keine lebenserhaltenen Maßnahmen eingeleitet.

Zu Hause angekommen haben die Eltern ihre Familien angerufen und ihnen gesagt, dass Paulina wahrscheinlich sehr bald im Bauch einschlafen wird. Ja. Paulina. Jetzt verraten sie den Namen, denn Paulina soll nicht bloß das Baby sein, dass Tot zur Welt kommen wird. Sie soll ihren Namen tragen.

Die Mama schreibt mir: „Wir planen alles für den Fall das Paulina tot zur Welt kommt…als erstes kontaktieren wir dich, Tanja. Ich weiß wie wichtig mir ihre Bilder sein werden denn Bilder bleiben für immer und halten diesen viel zu kurzen Moment fest.

Eine Woche später die nächste Untersuchung…das Herz schlägt noch aber die Situation ist noch schlechter.. es soll nur noch eine Frage der Zeit sein bis „es“ passiert. Mir wird angeboten die Schwangerschaft abzubrechen. Das kann ich nicht. Paulina soll selbst entscheiden wann es soweit ist und in Würde bei uns sterben. Nicht auf dem Geburtsweg und nicht in den Armen eines Mediziners. Wir entscheiden uns für „abwartendes Verhalten“ und fahren nach Hause.“

Vom Zeitpunkt der ersten Kontakte hatte ich drei Wochen nichts von der Mama gehört, war aber immer in Gedanken bei der kleinen Familie und dann habe ich mich getraut, sie nochmal anzuschreiben und zu fragen, wie es der kleinen Paulina geht.. es sei bisher alles unverändert.. ihr kleines Herz schlägt und schlägt.. berichtet sie mir… sie bleibt länger, als die Ärzte es vermutet haben.. schrieb die Mama.. das waren gute Nachrichten..

Die Mama erzählt weiter: Zu Hause wurden die Eltern von der Hebamme weiter betreut.. „Wir können sie jederzeit anrufen wenn wir das Gefühl haben dass Paulina eingeschlafen ist.“ .. Zwischendurch hatte die Mama immer wieder das Gefühl keine Kindsbewegungen mehr zu spüren.. Ihr Lieben.. ich glaube, diese Gefühle kann man nicht annähernd erahnen, wenn man das nicht durchlebt hat.. Das Wissen, dass das Baby im Bauch sterben wird.. man weiß nicht wann.. dann spürt man nichts mehr.. ich finde dafür keine Worte

Die Mama: „Wir planen weiter für den Fall der Fälle.. wer kann schon so lange den Tod des eigenen Kindes planen.. die meisten Paare kommen plötzlich und unerwartet in diese Situation ein Sternenkind zur Welt bringen zu müssen.. wir sprechen mit der Klinikpastorin, Nils baut ein „Kistchen“ (ich mag nicht Sarg sagen)“

5 Wochen später schlägt Paulinas Herz noch immer.

Eine weitere Untersuchung im Klinikum: „Die Diagnosen sind niederschmetternd und mir wird wieder angeboten die Schwangerschaft zu beenden aber wir wollen das gemeinsam mit Paulina durchstehen und uns nie fragen müsssen wie und wann das sonst zu Ende gegangen wäre. Wir fahren nach Hause. Herztonkontrollen. Sie bleibt, sie kämpft.
Inzwischen ist die Schwangerschaft so doll fortgeschritten dass man handeln muss, wenn die Geburt aus irgendeinem Grund losgeht und Paulina lebend zur Welt kommt.“

Einige Tage später eine erneute Untersuchung. „Wir haben nichts mehr zu verlieren. Die Ärztin bietet uns die Fruchtwasserauffüllung an.. Wir beide schauen uns an und es ist so unfassbar…seit 8Wochen laufen wir mit dem Gedanken rum, dass unser Baby einschlafen wird und nun kann es vielleicht doch in die andere Richtung gehen.. wir trauen uns nicht zu positiv zu denken.“

Zwei Tage später betraten die Eltern das Krankenhaus. Mit Still-BH und Sarg im Koffer. Keiner konnte sagen, wie es ausgehen wird.

Zielgenau und hochkonzentriert punktiert die Ärztin Paulinas Fruchthöhle…es hätte fast nicht geklappt und aufgrund des wenigen Fruchtwassers war es medizinisches Geschick dass sie das geeignete Fruchtwasserdepot traf.. unter Sectiobereitschaft wurde Paulina Sprite für Spritze NaCl zugefügt…8 Spritzen glaube ich.. danach ein Kontrollultraschall…es war sooo ergreifend.. denn Paulina find direkt an das Fruchtwasser zu schlucken, machte Blubberbläschen und sie bewegte sich wieder…und ich hatte einen mini Schwangerschaftsbauch dank des NaCls…so vergingen 2,5 Wochen im Krankenhaus..2x tägl. CTG-Kontrollen, tägliche Dopplerkontrollen..ich war unter Spannung denn wir hätte jeden Moment auf dem OP Tisch landen können.. ich hatte Angst vor dem Moment.. keiner wusste, wie das hier ausgehen wird.. der Oberarzt der Kinderärzte nannte Paulina eine Blackbox.. man wisse nicht was sie tut und kann, wenn sie zur Welt kommt und ob man sie versorgen kann.. aber sie hätte eine reelle Chance verdient. 2 x wurde Fruchtwasser aufgefüllt.

Hoffnung.

Alles wurde in die Wege geleitet. In der 34 SSW sollte Paulina nun auf die Welt geholt werden. Die Mama schreibt: Wir informierten Tanja, die seit Wochen in den Startlöchern stand.. es tat gut zu wissen dass sie oder einer ihrer Kollegen für den Fall der Fälle da sein wird.

Ihr Lieben.. ich lese jetzt gerade den Chatverlauf, den ich dann am 03.04. mit der Mama hatte..

„Unsere Paulina wird heute per Kaiserschnitt auf die Welt geholt. Falls sie es nicht schafft, melden wir uns wegen der Fotos.“

Ich schrieb der Mama, dass ich mich bereit halte und jederzeit losfahren kann… das ich ihnen ganz dolle die Daumen drücke und ihnen ganz viel Kraft wünsche.

„Kurz vor dem Kaiserschnitt überkam mich plötzlich ein innerer Frieden.. ich hatte das Gefühl das ganz vielleicht alles gut werden kann. Aber ich wusste genau dass Paulina vielleicht versterben wird während ich noch operiert werde. Es ging los, ich blieb ganz ruhig…für unsere Paulina…ganz ruhig…ICH WOLLTE DASS SIE IN LIEBE GEBOREN WIRD.. es war ganz ruhig bis wir hörten „hier gestikuliert schon jemand“ und dann hörten wir drei Schreie.. Paulina… da ist sie.. uns liefen die Tränen.. wir schauten rüber zur Reanimationseinheit auf der Paulina von den Kinderärzten versorgt wurde.. jeder Moment war so kostbar.. sie konnten anscheinend etwas für sie tun…wir sagten immer wieder „jetzt lebt sie schon 3 Minuten, jetzt 5, jetzt 8, jetzt 10“ und dann kam man mit ihr auf mich zu.. ich dachte „oh mein Gott muss ich mich jetzt verabschieden?“ aber nein…es sah erst mal soweit ok aus, dass sie mit auf die Neugeborenen Intensivstation genommen werden konnte und sie wurde mir gereicht, damit ich ihr einen Abschiedskuss geben konnte.. es war unfassbar, sie hat es auf die Station geschafft (wir hatten uns die Station vorher angesehen und wussten nicht ob sie es überhaupt bis dahin schafft und es war ein Geschenk für uns dass sie es geschafft hat). Ich pumpte die erste Muttermilch ab (natürlich kam noch nichts) ..es war mir wichtig, das in die Gänge zu bringen und wenn ich die Milch zum Grab getragen hätte..

Ich wusste von all dem natürlich nichts, war aber die ganze Zeit in Gedanken bei den lieben Eltern und der kleinen Kämpferin.. Den ganzen Nachmittag stand das Telefon still und am späten Abend dann die SMS… eine SMS mit nur zwei Worten:

Sie lebt

Paulina ist mit 615g auf die Welt gekommen.

Ein Wunder.

In den kommenden Wochen habe ich hin und wieder Kontakt zu der Mama gesucht, weil mich Paulinas Geschichte so sehr begleitet hat.. und jedes Mal, wenn ich ein neues Foto bei whatsApp gesehen habe, dachte ich: wow.. so groß ist sie schon.. ich habe mich so sehr mit den Eltern gefreut..

Und dann.. am Weltfrühgeborenen Tag stand die kleine Familie auf einmal vor mir. Die Mama wandte sich zum Papa: Das ist die Fotografin, die die Fotos gemacht hätte.. Ich sprach Paulina an und sie schenke mir ein Lächeln.. Ihr Lieben.. ihr glaubt gar nicht, wie berührt ich war..

Und diese Woche.. diese Woche hat mich Paulina im Studio besucht.. seht sie euch an.. Ich bin schockverliebt

… Die Mama möchte mit ihrer Geschichte anderen Eltern Mut und Hoffnung geben… Keiner von den Ärzten hatte diese Hoffnung… es schien aussichtslos.. aber die Eltern hatten den Mut Paulina entscheiden zu lassen.. und die Kleinen hat es allen gezeigt…

Als wir nach dem Shooting im Flur standen sagte die Mama mir, sie hatte ganz intensive Gefühl als sie zu mir ins Studio gefahren ist. .. Das wir uns an einem „Fototermin“ kennenlernen würden, war für die Mama klar.. aber das es „so ein“ Fototermin wird.. ein Termin wo Paulina lacht.. und fröhlich ist.. und lebt… sie hat es als ganz großes Geschenk empfunden, dass sie mich wieder treffen konnte … unter ganz anderen Bedingungen.. unter diesen schönen Bedingungen.. denn ich habe zu dem festen Netzwerk gehört bei Paulinas Geburt.. auch wenn man das Schlimmste befürchtet hat..

Heute sagte mir die Mama noch: „Wir haben uns drei alle so sehr gewollt und alles ist in großer Liebe passiert ist.. auch die schlechten Zeiten waren soooo von Liebe geprägt.. es war die schwerste Zeit in unserem Leben.. aber sie war voller Liebe.. für Paulina.. und für uns..“

Heute ist Paulina knapp 8 Monate alt und ein aufgewecktes, fröhliches und super süßes kleines Mädchen

Danke ihr Lieben, dass ich die für mich so besonders schöne Geschichte erzählen darf…

Ich weiß nicht, wie es euch geht.. aber ich bin so voller Dankbarkeit und ich bin so glücklich, dass es diese kleine und so liebe Familie geschafft hat..

Danke für’s Lesen..

Bitte teilt diesen Beitrag fleißig.. er soll anderen Eltern Mut machen.. und er soll aber auch aufklären.. dass wir da sind.. wenn wir gebraucht werden.. dass Eltern uns bitte, bitte ansprechen.. auch bei Fragen … wir von DEIN Sternenkind sind für euch da

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Photo by pixabay

Vielen Dank dass ich diese wundervolle Geschichte auch hier am Blog teilen darf! Wunder geschehen – jeden Tag! Das sollten wir nie vergessen!

Tanjas Seite und der Originalbeitrag sind weiter oben verlinkt – schaut doch rein und seht euch ein Foto der wunderschönen Paulina an!

#bringbackthelove Adventskalender Tür Nr. 13

Wisst ihr was im Leben mit einer Krankheit oder Behinderung wirklich einen Unterschied macht?

Es ist nicht die schwere der Diagnose, oder wie sehr das Kind oder der Betroffene darunter leidet oder eben nicht. Es geht nicht darum wie „schlimm“ man es erwischt hat oder wie gut. Ganz egal welche Krankheit oder Behinderung es betrifft, ganz egal ob körperlich oder geistig, sichtbar oder unsichtbar.

Es kann noch so schlimm sein, und doch kann man einen Weg finden damit zu leben. Sich daran zu gewöhnen. Sich so zu verändern das man damit umgehen kann. Zu lernen. Und irgendwann sogar das Gute darin sehen.

Selbst wenn die Krankheit tödlich ist. Selbst wenn es das eigene Kind ist, das sterben wird.

Es ist eine Einstellungssache.

Man kann darunter leiden, man kann trauern. Man kann wütend sein oder depressiv oder aggressiv. Man kann sich selbst bemitleiden. Aber irgendwann muss man auch wieder ins Leben zurückfinden.

Man muss versuchen die positiven Dinge zu sehen. Die Dinge, die einem Hoffnung geben. Die Dinge, die einen weitermachen lassen, die einem Kraft geben und die einem sogar Freude schenken können.

So schlimm Haylies Krankheit auch ist, und so sehr ich sie hasse und mir wünschen würde, dass wir davon verschont geblieben wären, dass Haylie gesund wäre, ist trotzdem eines ganz klar: Eine solche Liebe, so pur, so intensiv, wo alles rundherum gleichgültig ist, so einzigartig und bewusst, so eine Liebe hätte ich ohne diese Krankheit wohl nie kennengelernt.

So viel Stärke hätte ich nie entwickelt, wie ich sie nun besitze. So viel Kampfgeist hätte ich nicht mal erahnt das ich besitzen könnte.

Es ist eine Einstellungssache.

Und das zeigt uns auch die heutige Geschichte im #bringbackthelove Adventskalender. Ich lade euch alle herzlich ein diese tolle Geschichte zu lesen, und ganz intensiv über eure Einstellung nachzudenken. Lasst euch inspirieren! Viel Freude beim Lesen!

Tür Nummer 13: Superkrümel

Hallo mein Name ist Nicole und ich habe wie alle hier ein ganz phantastisches Kind.

Er wird gemeinhin nur Superkrümel genannt.

Superkrümel wird direkt nach Weihnachten 2 Jahre alt. Momentan ist er auf dem Stand eines 6-9 Monate alten Kindes. Er hat Epilepsie, einen Herzfehler, eine Lungenarterienverengung, er aspiriert Flüssigkeiten und wird momentan ausschließlich per Sonde ernährt und natürlich noch viel viel mehr, aber ich bin sicher niemand will alle 20 Diagnosen hören!

Superkrümel kam mit einem seltenen Gendefekt auf die Welt.

Was dieses Jahr für uns so besonders macht?

Immer wieder aufstehen und uns über jede Kleinigkeit freuen. Ende letzten Jahres landete unser kleiner Engel wegen einem schweren Krampfanfall auf der Intensivstation. Und Anfang diesen Jahres ging es ihm schon wieder so gut, dass er selbst von einer Banane kleine Stücke abbeißen und essen konnte.

Ich habe geweint vor Freude!

Nachdem wir wieder zuhause waren hat er im Schlaf auf meinem Arm gelächelt, dass ist noch immer mein liebstes Foto. Leider ging es ihm dann wieder schlechter im Januar der nächste Krampfanfall und ab März ständige Infekte, die dafür sorgten, dass wir innerhalb von 3 Monaten 3 Mal stationär im Krankenhaus waren. Im Mai fanden sie heraus was das Problem war. Mein Sohn hatte einen gastroösophagealen Reflux (Rückfluss von Mageninhalt in die Speiseröhre), eine neurogene Schluckstörung und aspirierte (wenn Nahrung in die Luftröhre und dadurch auch in die Lunge gelangt) aus dem Grund alle Flüssigkeiten und vermutlich auch den Mageninhalt der durch den Reflux aufstieg. Im Oktober hatten wir eine Fundoplicatio (Operation zur Verhinderung des Refluxes) mit PEG-Anlage (Magensonde) und leider geht es ihm noch immer nicht gut!

Doch wenn ich an dieses Jahr denke dann konzentriere ich mich nicht auf all das Leid, sondern ich denke daran wie er das erste Mal Banane gegessen hat, wie er lacht, wenn er schaukelt, wie er sein Spiegelbild entdeckt hat, wie er gelernt hat sich den Schnuller aus dem Mund zu nehmen.

Ich denke an das erste Bild das er „gemalt“ hat und an all seine Bemühungen zu sitzen und zu krabbeln. Ich denke an all das was er dieses Jahr geschafft hat, auch wenn es Rückschläge gab und er einiges jetzt nicht mehr kann.

Ich denke daran wie sehr er sich freut mit Mama auf dem Pferd zu sitzen und wie gern er mit Papa kuschelt oder anderen an den Haaren zieht.

Das wichtigste ist das was wir haben!

Ich habe ein Kind, dass selbst atmen kann, das lacht und sich freut, auch wenn es für andere vielleicht manchmal nichts zu freuen gibt, ein Kind, dass einem so viel Liebe schenkt und das sich immer wieder zurück uns Leben kämpft. Das sind die Dinge die ich habe und die ich liebe und mal ehrlich was könnte ich mehr wollen?

Herzliche Grüße Nicole und Superkrümel

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Vielen Dank Nicole für diese schöne Geschichte! Ihr habt mein Herz aufgehen lassen! Ich wünsche euch alles Gute und eine wunderschöne Adventszeit!

#bringbackthelove Adventskalender Tür Nr. 8

Auch heute gibt es wieder eine wunderschöne Fortsetzung einer Geschichte aus dem letzten Jahr (ihr findet sie hier!): Die kleine Livia – unser „Duracell-Häschen“.

Dieses kleine Wunder hatte als Extremfrühchen einen sehr schweren Start ins Leben, aber sie ließ sich davon nicht aufhalten und gibt alles um aufzuholen was ihr in ihrer Entwicklung noch fehlt. Ein Häschen mit ganz viel Kampfgeist – das mag ich besonders! 🙂

Aber lest selbst:

Tür Nummer 8: Unser „Duracell-Häschen“ Livia

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Letztes Jahr durfte ich schon von unserem Sonnenschein Livia erzählen (Extremfrühchen mit 564g und 30 cm in SSW 29+1, schwere Epilepsie, Kleinhirnfehlbildung, globale Entwicklungsverzögerung…) und freue mich, nun wieder von ihr berichten zu dürfen.

Leider hatte das Jahr 2017 nicht nur Positives für uns mitgebracht. Schien es doch als wären die Anfälle endlich Geschichte, ging es im Februar nach einem Fieberkrampf wieder erneut los. Leider fiel auch das letzte EEG im Herbst auch schlecht aus…

Dennoch: Livia lässt sich nicht unterkriegen! Sie ist eine wahre Kämpferin und es ist eine Freude, ihre Entwicklung zu beobachten – auch wenn sie weit hinter der von Gleichaltrigen ist…

Im Frühjahr begann sie eine Spielgruppe zu besuchen und während die anderen Kinder – alle damals unter zwei Jahren – ihr bereits wegliefen, hatte Livia ihre eigene Fortbewegungstechnik: sie krabbelte oder hüpfte wie ein kleines Känguru auf den Knien herum. Bevorzugt zum Fenster, aus dem sie gerne schaut.

Sie hat im Sommer dann sogar gehen gelernt und zugleich das Türen öffnen… somit mussten wir unseren Wohnbereich nun zu einem halben „Hochsicherheitstrakt“ umbauen. Denn die Mobilität zeigte uns die nächsten Herausforderungen: Weglauftendenz ohne Gefahrenerkennung… Wie erfreulich einerseits dieser Entwicklungsschritt ist, so anstrengend ist es gleichzeitig, keine Minute mehr sitzen zu können. Es ist mitweilen sehr anstrengend, ständig hinter dem kleinen „Duracell-Häschen“ hinterher zu jagen…

Livia hat nun auch Interesse an Autos entdeckt. Jedes kleinste Detail eines Vehikels in Zeitschriften oder sogar im Fernsehen wird von ihr entdeckt und mit „rrrr“ kommentiert. Somit sind wir bei der Kommunikation. Leider ist es nicht immer einfach, diesen kleinen, zeitungszerlegenden Wirbelwind zu verstehen. Ihre Kommunikation reduziert sich vor allem auf Arme ausstrecken und das Gesicht oder einen Finger des gewünschten Gesprächspartners zu lenken, wohin sie möchte. Dennoch gibt es einen „Zwei-Wort-Satz“:“Ba-ba, rrrr!“, wenn sie mit dem Auto wegfahren möchte oder erfährt, dass wir wegfahren…denn Autofahren mag sie. Wie eben auch über den Lack des Autos zu streichen oder sogar beim Lenkrad sitzen.

Sieht sie ein Auto, hält sie nichts mehr… Und auch Spielkarten sind das neueste Steckenpferd von Livia. Es eröffnen sich damit so viele Spielmöglichkeiten, die man zuvor nicht erahnt hätte. Zum Glück ist die Ergotherapeutin sehr verständnisvoll und kreativ darin, sich Livias aktuellen Vorlieben anzunehmen und diese in die Therapie einzubauen.

Eigentlich hätte Livia auch mit dem Heilpädagogischen Kindergarten im Herbst beginnen sollen, aber das Schicksal (in Form des Samariterbundes) hatte andere Pläne und so bleibt sie noch zu Hause, begleitet mit Therapien und Erlernens von Abnabelung, denn im Frühjahr entwickelte Livia plötzlich Verlassensängste.. Im Herbst ist nun ein Integrationskindergarten geplant, der wenige Minuten nun von uns entfernt ist. Und sie wird auch das meistern!

Wie schön es ist, ihre Entwicklung tagtäglich zu sehen, gibt es auch manches, dass uns auch ordentlich ins Schwitzen bringt: das Wickeln. Dieses ist so unglaublich lustig, weil Madame alle möglichen akrobatischen Übungen macht… wenn nicht gerade noch 4 helfende Hände da sind, ist es ein ordentlicher „Nahkampf“, Livia in Windeln und wieder in Kleidung zu bringen, bei dem man fast ins Schwitzen kommt…

Oder Thema Schlafen…. Diese kleine Dame ist auch abends meist völlig unter Strom… da muss man aufpassen, nicht vorher selbst einzuschlafen! Und wenn sie dann schläft, heißt es stets wachsam zu sein, denn es könnte der nächste nächtliche Anfall lauern… Doch Livia lässt sich nicht unterkriegen, denn als ehemaliges Frühchen weiß sie: „Einmal Kämpfer, immer Kämpfer“…

Mama Linda und Livia haben auch einen Blog auf Facebook – besucht ihn doch mal! Hier gehts lang!

Vielen Dank Linda, dass ihr wieder mitgemacht habt und uns die tollen Fortschritte eurer Maus berichtet habt! Es freut mich sehr das sie sich so toll entwickelt – auch wenn es immer auch eine Herausforderung ist, da man sich als Elternteil somit ja auch weiterentwickeln muss, vor allem was die Pflege und Betreuung betrifft. Aber ich bin mir sicher ihr werdet auch das meistern!
Alles Liebe und eine schöne Adventszeit wünsche ich euch!

#bringbackthelove Adventskalender Tür Nr. 4

Heute lest ihr eine ganz bewegende Geschichte auf meinem Blog und zugleich eine ganz deutliche Warnung! NIEMALS NIEMALS NIEMALS SCHÜTTELT EIN BABY!! NIEMALS!

Ein sehr ernstes Thema, wenn Eltern komplett die Nerven verlieren und ihr schreiendes Baby heftig hin- und herschütteln, damit es endlich still ist. Leider kommt es tatsächlich immer wieder vor, dass Eltern ihr kleines Kind aus Wut oder Verzweiflung kräftig durchschütteln. Weil sie das ständige Geschrei nicht mehr ertragen oder völlig überfordert sind.

Was viele jedoch nicht wissen: Gerade festes Schütteln kann im noch unreifen Gehirn eines Babys schwere gesundheitliche Schäden verursachen – bis hin zum Tod eines Kindes. In Deutschland werden jedes Jahr etwa 100 bis 200 Säuglinge und Kleinkinder mit einem Schütteltrauma in eine Klinik eingeliefert. Mehr als die Hälfte ist danach ein Leben lang schwer behindert, ein Drittel der Kinder stirbt daran. Grund genug über dieses ernste Thema zu sprechen und darüber aufzuklären, welch verheerende Folgen eine solche Überreaktion haben kann.

Quelle: rund ums baby.de

Dass man Babys nicht schütteln darf, weil sie dabei ganz schlimme Verletzungen erleiden können, ist den meisten Müttern und Vätern bewusst. Leider gibt es immer wieder Mütter und natürlich auch Väter, möglicherweise besonders junge, oder psychisch nicht ganz gesunde, oder einfach enorm überforderte „Eltern“ oder eher „Erzeuger“ die trotz allen Warnungen, die man doch – sind wir ehrlich – wirklich überall im Internet und in der realen Welt finden kann, ihr Baby schütteln.

Vielleicht sind sie so unglaublich überfordert, haben exzessive Schreibabys oder können einfach ihre neue Rolle als Eltern nicht annehmen oder ernst nehmen, vielleicht sind sie sich ihrer Verantwortung über dieses neue Leben nicht bewusst…, ehrlich – ich habe keine Ahnung was sonst noch ein Beweggrund sein könnte, denn für mich ist das ganze einfach unbegreiflich wie es so weit kommen kann – nichts, wirklich gar nichts, entschuldigt es in meinen Augen wenn eine Mutter oder ein Vater das eigene Baby schüttelt. Dafür gibt es in meinen Augen keine Ausrede. Kein „oh dann kann ich es verstehen…“

Niemals niemals niemals könnte ich es verstehen, oder akzeptieren, oder irgendwie damit leben.

Ein Baby zu schütteln ist schwere Misshandlung und unverzeihlich! Man nimmt dem Kind das gesamte gesunde Leben oder tötet es im schlimmsten Fall sogar! Die gesamte Zukunft zerstört. Weswegen? Weil es nicht aufhören wollte zu weinen??

Ich kann es mir nicht vorstellen. Es ist unverzeihlich.

Je mehr ich darüber nachdenke desto bewundernswerter finde ich den Vater und die Stiefmutter des Jungen in meiner heutigen Geschichte.

Achtung: Dies zu lesen ist nicht ohne – aber lest es dennoch. Lasst euch von der unermesslichen Liebe dieser Eltern inspirieren, lasst diese Liebe auch in euer Herz.

Und den tapferen Eltern kann ich nur sagen: Ihr seid bewundernswert für eure Liebe, für eure Toleranz, eure Anpassungsfähigkeit und eure Kraft, euren Kampfgeist. Hut ab vor euch beiden!!

Tür Nummer 4: Julian – ein wertvolles Leben

Hallo,
Ich würde gern die Geschichte meines Stiefsohnes Julian mit euch teilen.

Mein Stiefsohn wurde im Juni 2009 als gesunder kleiner Junge geboren. Sein Papa lebte schon lang von der Mutter getrennt und war bereits mit mir zusammen.

Da die Mutter etwas überfordert war und noch Hilfe im Umgang mit Julian benötigte, wurde das Jugendamt eingeschaltet und die Mutter bekam eine Familienhilfe. Wir besuchten Julian jede Woche.

Doch schon nach 5 Wochen bekamen wir einen Brief von der Polizei, in dem Stand, dass Julian misshandelt wurde. Wir gingen sofort zum Jugendamt. Doch wir bekamen keine Auskunft. Die Jugendamtsmitarbeiterin saß vor uns mit Tränen in den Augen und meinte nur, dass alles so schlimm sei.

Papa dachte in dem Moment das Julian tot sei. 3 Monate durften wir Julian nicht sehen, da es uns die Mutter verboten hat. Nach 3 Monaten konnten wir Julian endlich wieder in den Arm nehmen.

Doch nichts erinnerte mehr an das gesunde kleine Baby.

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Julian hat ein schweres Schütteltrauma erlitten. Er hatte schwere Hirnblutungen. Seine Schädeldecke musste entfernt werden. Die Ärzte glaubten nicht, dass er es überleben würde.

Doch Julian ist ein Kämpfer, er hat überlebt.  Trotz schwerer Hirnverletzungen ist er nun schon 8 Jahre alt.

Durch das schwere Schütteltrauma ist er aber schwerstbehindert und ein Pflegefall. Er hat eine starke Spastik, ist blind und hat Epilepsie. Und doch zeigt er uns das er glücklich ist. Viele OPs und Rückschläge mussten wir bewältigen, doch Julian kämpft weiter.

Nach 2 Jahren hat sein Papa endlich das alleinige Sorgerecht für ihn bekommen. Nun lebt Julian bei uns. Er hat zwei kleine Brüder, von dem einer auch ein besonderes Kind ist.

Wir genießen jeden Tag mit ihm und sind so glücklich, dass er das Schütteltrauma überlebt hat.

Vielen Dank, dass ich unsere Geschichte mit euch teilen darf. Ich finde diese Aktion sehr schön!
Liebe Grüße
Anja

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Ich danke euch für eure bewegende Geschichte, und für euer Engagement für diesen süßen Jungen! er hat das wirklich nicht verdient – genauso wenig ihr! Aber ihr macht das Beste daraus und gebt ihm ein liebevolles Zuhause indem er geliebt und gepflegt wird! Ihr habt meinen größten Respekt!

Alles Gute für euch und für den süßen Julian!

Wer mehr über Julian erfahren möchte kann dies hier tun!